Heute ist Dienstag.
Ganzen Tag schon versuche ich mir vorzustellen, was ich wohl mit dir quatschen würde, wäre ich dich heute besuchen gekommen. Du würdest mich mit einem strahlenden Lächeln und einem "Heey" begrüßen. Deine Freude im Gesicht, wenn Besuch in der Tür stand, hast du nie verloren.
Du würdest es nicht verstehen, warum ich dienstags schon zuhause bin und nicht in der Arbeit oder auf der Uni. Viel öfter hätte ich mir unter der Woche diese Zeit für dich nehmen sollen, denke ich heute...
Ich würde dich fragen, wie es dir geht. "Na wia", wäre deine Antwort.
Ich würde dich fragen, was es Neues gibt. "I waß jo nix", würdest du sagen.
Und trotzdem wärst du dankbar, wenn ich dich in ein angeregtes Gespräch verwickle.
Irgendwann würde ich dir meine Hand auf den Tisch hinlegen. Du würdest sie nehmen und ein paar mal fest drücken. Dann würdest du sie ansehen, meine Hand neben deiner, und sagen, wie alt deine und wie schön jung meine Hände doch seien.
Wärst du noch hier und hättest den letzten Monat miterlebt, dann würde ich dir heute von meiner Hilflosigkeit berichten. Von dem Gefühl, dass eine Säule weggebrochen ist, die mich mein ganzes Leben felsenfest gestützt hat. Und dass ich nach wie vor damit kämpfe, das Gewicht auf die übrigen Säulen neu zu verteilen.
Irgendwann würdest du mir sagen, dass es "im Leben immer weitergeht, weil es weitergehen muss".
Spätestens jetzt würdest du mir Schokolade anbieten. "Geh, nimm da des Noschzeig, i iss' jo ned!". Ein Stück hast du dann doch auch gegessen, mit mir zusammen.
Zum Abschied hätte ich dir ganz bewusst ein Busserl auf die Wange gedrückt und dir gesagt, dass ich dich lieb hab. Ganz bewusst. Du hättest belustigt gelächelt und in schönem hochdeutsch ganz formell geantwortet "Ja, ich dich auch!".
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Heute ist ein Dienstag und ich würde dir wie immer eine Postkarte aus dem Ausland schicken. Heute weiß ich genau, was ich dir schreiben würde und auch wenn ich dich nicht sehe bin ich mir sicher, dass du es liest:
Menschen in seinem Leben zu haben, die einen bedingungslos lieben, ist wohl das größte Geschenk des Lebens. Selbst wenn die Menschen nicht mehr bei uns leben, geht diese Liebe nicht weg.
Heute bist du inmitten vieler Menschen, die auch dich so geliebt haben, wie du uns. Sich dessen sicher zu sein, beruhigt mich ungemein. Den Schmerz hingegen, den ich fühle; der Kloß in meinem Hals wenn der Alltag für einen Moment innehält und man in der Erinnerung an den Verlust erschrickt; die Hilflosigkeit, die man im Gedanken an das wohl größte Geheimnis des Lebens verspürt... das sind die dunklen Momente, in denen sich deine Liebe schützend um meine Schultern legt.
Heute weint der Himmel über London... Omi, ich vermisse dich!